Jazz – Geschichte und Stile
In diesem Artikel lernst du, wie sich der Jazz entwickelt hat und wie die verschiedenen Stile klingen.
Wir haben die Inhalte komprimiert und zusammengefasst. Der Vorteil dabei ist, dass du schnell das Wichtigste lernst und einen Überblick bekommst. In Kombination mit den Übungen aus unserem Kurs Studienvorbereitung Musiktheorie und Gehörbildung wirst du so schnell fit für deine Aufnahmeprüfung. Für diese pragmatische Lösung mussten wir aber vieles vereinfachen. Um zum Jazz-Experten zu werden, solltest du diesen Artikel also nur als Ausgangspunkt nutzen!
Jazzstile
Im Jazz gibt es viele verschiedene stilistische Ausrichtungen (die sich für die Jahrzehnte nach 1970 kaum beschreiben lassen). Manche Musiker wie Miles Davis beeinflussten die Entwicklung verschiedener Stile. Die historisch bedeutendsten lassen sich nach ihrer Entstehung zeitlich ordnen:
~1900 New Orleans Jazz
~1910 Dixieland
~1920 Chicago Jazz
~1930 Swing
~1940 Bebop
~1950 Cool Jazz
~1955 Hardbop
~1960 Free Jazz
~1970 Fusion Jazz
New Orleans Jazz
Der New Orleans Jazz entstand etwa um das Jahr 1900 aus der Musik der Marching Bands im Süden der USA. Besonders im kulturellen Schmelztiegel New Orleans entwickelte sich diese neue Musikrichtung, die bald zum Synonym für die lebendige und dynamische Musikkultur der Stadt wurde. Bis etwa 1928 galt New Orleans als Zentrum des Jazz und trug maßgeblich dazu bei, diese Musikrichtung weltweit bekannt zu machen und weiterzuentwickeln.
Der Jazz aus New Orleans zeichnete sich durch seinen vitalen und dynamischen Charakter aus, mit starken Akzenten und einer unverwechselbaren Rhythmik. Typisch ist die sogenannte „Two Beat“-Spielweise, bei der die erste und dritte Zählzeit im Takt betont werden. Diese Betonung unterscheidet ihn vom späteren Chicago-Jazz, bei dem die zweite und vierte Zählzeit hervorgehoben wird. So entsteht ein einzigartiger Klang, der den New Orleans Jazz zu einer lebendigen, energetischen Musikrichtung macht.
Besetzung
feste Melodiegruppe (melody section):
- Kornett oder Trompete (Melodie; Lead-Position)
- Klarinette (ornamentierte [also umspielte, ausgezierte] Gegenmelodie)
- Posaune (Rhythmus, Slides, Grundtöne)
Rhythmusgruppe (rhythm section):
- Tuba oder Kontrabass (Bass)
- Schlagzeug
- Klavier
- Banjo
Bekannte Vertreter
- Kid Ory
- Louis Armstrong
- Joe King Oliver
Playlist
- The Darktown Strutters’ Ball (Shelton Brooks)
- Gettysburg March (Kid Ory's Creole Jazz Band)
- King Porter Stomp (Jelly Roll Morton)
- Memphis Blues (W. C. Handy)
- St. Louis Blues (W. C. Handy)
- When the Saints Go Marching In (Louis Armstrong)
- Dippermouth Blues (King Oliver's Creole Jazz Band)
- Basin Street Blues (Preservation Hall Jazz Band)
- Muskrat Ramble (Kid Ory)
Dixieland
Ab etwa 1910 begannen weiße Musiker, den New Orleans Jazz nachzuahmen und entwickelten daraus eine eigene Stilrichtung, den sogenannten Dixieland. Dieser zeichnet sich durch ein weniger herbes und eigenwilliges Klangbild aus und setzt stattdessen auf glattere und eingängigere Melodien. Ein prägendes Element des Dixieland ist die „Call and Response“-Improvisation – ein musikalischer Dialog, in dem verschiedene Musiker Passagen aufgreifen, variieren und kreativ zurückgeben. Auch im Dixieland bleibt die „Two Beat“-Spielweise typisch, bei der die erste und dritte Zählzeit im Takt betont werden, im Gegensatz zum späteren Chicago-Jazz, bei dem die zweite und vierte Zählzeit hervorgehoben wird.
Besetzung
melody section
- Kornett oder Trompete (Melodie; Lead-Position)
- Klarinette (ornamentierte Gegenmelodie)
- Posaune (Rhythmus, Slides, Grundtöne)
rhythm section
- Tuba oder Kontrabass (Bass)
- Schlagzeug
- Klavier
- Banjo, Gitarre
Bekannte Vertreter
- Tony Almerico (Trompete, Kornett)
- Eddie Condon (Gitarre)
- Al Hirt (Trompete)
Playlist
- Sensation (Tony Almerico)
- Jazz Me Blues (Tony Almerico)
- Heebie Jeebies (Eddie Condon)
- Java (Al Hirt)
Chicago Jazz
Mitte der 1920er-Jahre entwickelte sich aus dem Dixieland-Stil der Chicago-Jazz. Bereits Anfang der 1920er-Jahre wanderten zahlreiche Musiker aus New Orleans nach Chicago ab, darunter auch berühmte Namen wie Louis Armstrong und King Oliver. Chicago wurde so zum neuen Zentrum des Jazz und prägte die Entwicklung dieser Musikrichtung maßgeblich.
Obwohl der New-Orleans-Stil in Chicago imitiert wurde, entwickelte sich daraus ein eigenständiger, neuer Stil, der weicher und unbeschwerter klang. Im Chicago-Jazz rückte die Soloimprovisation in den Vordergrund, bei der einzelne Instrumente nacheinander Soli spielten, während die Kollektivimprovisation in den Hintergrund trat. Charakteristisch für den Chicago-Jazz ist zudem die Betonung der zweiten und vierten Zählzeit, die vor allem durch das Schlagzeug hervorgehoben wird und dem Stil seinen unverwechselbaren Rhythmus verleiht.
Besetzung
In der Besetzung des Chicago Jazz ist erstmals das Saxophon zu finden.
- Trompete
- Saxophon
- Gitarre (ersetzt Banjo)
- Bass (ersetzt Tuba)
- Schlagzeug
- Klavier
Bekannte Vertreter
- Bix Beiderbecke (Kornett)
- Bud Freeman (Tenorsaxophon)
- Jimmy McPartland (Trompete)
- Frank Teschemacher (Klarinette)
Playlist
- At the Jazz Band Ball (Bix Beiderbecke)
- In a Mist (Bix Beiderbecke)
- Barrelhouse Stomp (Frank Teschemacher)
- Chicago (Bud Freeman)
Swing
In den 1930er-Jahren dominierte der Swing als populärster Jazzstil. Bereits Ende der 1920er-Jahre entstanden große Tanzorchester, die diesen Stil prägten und ihm aufgrund seiner Tanzbarkeit große Beliebtheit verschafften. Der Swing setzt auf eine „Four Beat“-Spielweise mit vier Taktschwerpunkten und einem durchlaufenden Bass, dem sogenannten Walking Bass. Charakteristisch ist der ternäre Rhythmus, der einen triolischen Klang erzeugt. Statt freier Improvisation spielte man nun nach festgelegten Arrangements, um das Zusammenspiel der großen Orchester zu koordinieren. Improvisationen fanden hauptsächlich im Rahmen von Soli statt, während die Arrangements auch komplexere Harmoniefolgen ermöglichten.
Besetzung
Im Swing entstand die Formation der Big Band, die größer als bisherige Formationen war: 3 Sections, in denen die einzelnen Instrumente nun mehrfach (4 bis 5-fach) besetzt sind.
brass section (Blechbläser)
- Trompeten
- Posaunen
reed section (melodysection; Holzbläser)
- Saxophone
- Klarinetten
percussion section
- Klavier
- Gitarre
- Kontrabass
- E-Bass
- Schlagzeug
Bekannte Vertreter
- Benny Carter (Saxophon)
- Billie Holiday (Gesang)
- Johnny Hodges (Saxophon)
- Lester Young (Saxophon)
Bekannte Big Bands
- Count Basie Orchestra
- Duke Ellington Orchestra
Playlist
- Blues in My Heart (Benny Carter)
- Summertime (Billie Holiday)
- Strange Fruit (Billie Holiday)
- Jeep's Blues (Johnny Hodges)
- Lester Leaps In (Lester Young)
- Jumpin' at the Woodside (Count Basie Orchestra)
- Take the 'A' Train (Duke Ellington Orchestra)
Bebop
Ab etwa 1940 entwickelte sich der Bebop, ein impulsiver und nervöser Jazzstil mit besonderer rhythmischer Freiheit, insbesondere im Spiel von Schlagzeug und Bass. Der Bebop zeichnet sich durch schnelle Tempi und starke Synkopierungen aus, was ihm eine treibende Intensität verleiht. Harmonisch ist dieser Stil äußerst komplex und nutzt häufig Dissonanzen, Zwischendominanten und charakteristische II–V–I-Kadenzen sowie übermäßige und verminderte Septakkorde. Bebop setzt stark auf solistische und improvisatorische Elemente, in denen virtuose Solisten brillieren. Typisch für den Stil ist das Intervall der verminderten Quinte, die „flatted fifth“, die dem Klang eine markante Schärfe verleiht. Die Phrasen sind kurz und abgerissen, im Gegensatz zum Cool Jazz der 1950er, der auf längere melodische Phrasen setzt. Trompete und Saxophon spielen häufig unisono, besonders am Anfang und Ende, um das Thema einzuführen und abzuschließen.
Besetzung
Rückkehr zu einer kleineren (Quintett-) Besetzung (Combo):
- Trompete
- Saxophon
- Bass
- Schlagzeug
- Klavier
In der Combo sind alle Instrumente einfach besetzt, ohne Einteilung in Sections (wie Rhythmus- und Melodie-Gruppe).
Bekannte Vertreter
- Thelonius Monk (Klavier)
- Kenny Clarke (Schlagzeug)
- Dizzy Gillespie (Trompete)
- Charlie Parker (Saxophon)
Playlist
- Round Midnight (Thelonius Monk)
- Now’s the Time (Charlie Parker)
- Bebop (Dizzy Gillespie)
- Salt Peanuts (Dizzy Gillespie)
- Anthropology (Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Joe Bishop)
Cool Jazz
Ende der 1940er-Jahre entwickelte sich der Cool Jazz als bewusster Gegenentwurf zum hektischen und impulsiven Bebop. Dieser neue Stil zeichnet sich durch eine ausgeglichene und strukturierte Spielweise aus und wirkt introvertiert und ruhig. Die Tempi sind langsamer als im Bebop, und längere, fließende melodische Phrasen bestimmen den Klang, im Gegensatz zu den kurzen, abgerissenen Phrasen des Bebop. Solistische und improvisierte Passagen bleiben erhalten, doch das Zusammenspiel im Ensemble und sorgfältig ausgearbeitete Arrangements gewinnen deutlich an Bedeutung und verleihen dem Cool Jazz eine entspanntere, harmonische Atmosphäre.
Besetzung
Trio, Combo, aber auch größere Besetzungen bis Big Band.
Bekannte Vertreter
- Dave Brubeck (Klavier)
- Miles Davis (Trompete)
- Modern Jazz Quartet
Playlist
- So What (Miles Davis)
- Take Five (Dave Brubeck)
- Afternoon in Paris (Modern Jazz Quartet)
- Django (Modern Jazz Quartet)
- My Funny Valentine (Chet Baker)
- Subconscious-Lee (Lee Konitz)
Hardbop
Ab Mitte der 1950er-Jahre entwickelte sich der Hard Bop als „moderner Bebop“ und als Gegenpol zum ruhigen Cool Jazz. Die Melodien im Hard Bop sind etwas einfacher gehalten als im Bebop und orientieren sich stärker am Blues und Soul, was ihnen eine eingängigere Struktur verleiht. Dennoch behält der Stil scharfe, prägnante Rhythmen und eine komplexe Harmonik bei, die ihm eine kraftvolle und dynamische Ausstrahlung verleiht.
Besetzung
Trio, Combo, aber auch größere Besetzungen bis Big Band.
Bekannte Vertreter
- Art Blakey (Schlagzeug)
- Miles Davis (Trompete)
Playlist
- Blues March (Art Blakey)
- Love for Sale (Miles Davis)
- Milestones (Miles Davis)
- Moanin’ (Art Blakey)
- Nica’s Dream (Horace Silver)
Freejazz
Ab Ende der 1950er-Jahre entstand der Free Jazz, der die Tonalität stark erweiterte und teilweise auf Atonalität setzte. Die Musik verzichtet auf feste Taktschwerpunkte und ermöglicht eine freie, experimentelle Melodiebildung. Charakteristisch für den Free Jazz sind Kollektivimprovisationen ohne festgelegte Hierarchien – es gibt keine festen Solisten mehr, sodass alle Musiker gleichberechtigt zur Improvisation beitragen können. Diese Freiheit spiegelt sich auch in der formalen Gestaltung und Harmonik wider. Statt über eine Harmoniefolge zu improvisieren, basiert das Spiel auf einer Tonskala mit variabler Harmonisierung. Zudem fließen Klangeffekte und Geräusche in die Musik ein und verleihen ihr eine außergewöhnlich expressive Klangfarbe.
Besetzung
Ohne festgelegte Besetzungsformen, häufig Combo, selten Big Band.
Bekannte Vertreter
- Ornette Coleman (Saxophon)
- John Coltrane (Saxophon)
- Charlie Mingus (Kontrabass)
Playlist
- Ramblin’ (Ornette Coleman)
- Lonely Woman (Ornette Coleman)
- Ascension (John Coltrane)
- A Love Supreme (John Coltrane)
- Ghosts (Albert Ayler)
- Machine Gun (Peter Brötzmann)
Jazz Fusion
Ab etwa 1970 entwickelte sich der Jazz-Rock oder Fusion, eine Stilrichtung, die Jazz mit Elementen anderer Musikrichtungen wie Rock, Pop und Funk kombinierte. Charakteristisch ist die Integration binärer Rhythmen, wie sie etwa im Rock üblich sind, was dem Jazz einen neuen, kraftvollen Rhythmus und eine erweiterte stilistische Bandbreite verlieh.
Besetzung
Elektrisch verstärkte Instrumente wie E-Gitarre, E-Bass, E-Piano werden in die Besetzung mit einbezogen.
Bekannte Vertreter
- Miles Davis (Trompete)
- John McLaughlin (Gitarre)
- Chick Corea (Klavier)
- Joe Zawinul (Klavier, Keyboard)
- Herbie Hancock (Klavier)
- United Jazz + Rock Ensemble
Playlist
- Bitches Brew (Miles Davis)
- In a Silent Way (Miles Davis/ Joe Zawinul)
- Mercy, Mercy, Mercy (Joe Zawinul)
- Watermelon Man (Herbie Hancock)
- Cantaloupe Island (Herbie Hancock)
- Now He Sings, Now He Sobs (Chick Corea)
- Spain (Chick Corea)
- Birdland (Weather Report)